11 Fünf Kernkonzepte und Schlüsselfragen der Media Literacy
Simone Jung; Maximilian Sailer; und Johannes Abel
Abstract
Die Digitalisierung beeinflusst nahezu alle Lebensbereiche, Media Literacy als Schlüsselqualifikation erscheint vor diesem Hintergrund unverzichtbar. Insbesondere stellt das kritisch-reflektierte Hinterfragen von Medieninhalten einen zentralen Bestandteil der Medial Literacy dar. Durch eine fehlende kritische Auseinandersetzung mit Medien besteht die Gefahr, dass medial vermittelte Inhalte unzureichend oder gar nicht hinterfragt und in einen größeren Zusammenhang eingeordnet werden können. Um einen Beitrag zur Förderung einer kritischen Medienreflexion zu leisten, wurden frei verfügbare Lehrmaterialien (Video, Podcast, virtuelles Buch, Poster) konzipiert und erstellt. Die Inhalte erläutern fünf Kernkonzepte und Schlüsselfragen der Media Literacy zur kritischen Reflexion von Medieninhalten.
Fünf Kernkonzepte und Schlüsselfragen der Media Literacy_pdf
Idee und Einordnung in den Kontext
Videos werden manipuliert, Fotos werden zugeschnitten, Texte werden durch bestimmte Worte emotionalisiert und so in eine gewisse Richtung gelenkt, Informationen werden bewusst ausgeklammert – die Konstruktivität von Medieninhalten ist oft nur schwer zu erkennen. Daher ist es essentiell, dass bereits Kinder und Jugendliche lernen, wie Medieninhalte kritisch hinterfragt werden können. Durch das Erlangen von Hintergrundwissen über die Wirkungsweise von Medien wird ein verantwortungsvoller Umgang mit diesen gefördert, zudem vermittelt Media Literacy ein grundlegendes Verständnis über die Rolle der Medien in der Gesellschaft sowie die innerhalb einer Demokratie notwendigen Fähigkeiten, der eigenen Stimme Ausdruck zu verleihen (Center for Media Literacy, 2008, S. 8). Zudem kann durch eine kompetente und kritische Rezeption von Medieninhalten die unwissentliche Verbreitung von Fehlinformationen reduziert werden. Die Kompetenz zur kritisch-reflektierten Mediennutzung ist dabei bewusst nicht auf digitale Medieninhalte beschränkt, traditionelle analoge Medieninhalte werden ebenfalls miteinbezogen. Insbesondere im schulischen Kontext kommt der Vermittlung von Media Literacy eine wegweisende Bedeutung zu, um Schüler:innen auf die zentralen Herausforderungen vorzubereiten, mit denen sie in der Berufs- und Lebenswelt konfrontiert werden (Ammann & Fraefel, 2009, S. 7-8; Berger, 2019, S. 116 – 117).
Um den Erwerb von Media Literacy zu unterstützen, wurden OER[1] entwickelt, die im Rahmen des Lehrkräftebildung-Projekts SKILL.de (Strategien zur Kompetenzentwicklung: Innovative Lehrformate in der Lehrendenbildung, digitally enhanced) entstanden sind[2]. Im Mittelpunkt der OER stehen fünf Kernkonzepte und Schlüsselfragen der Media Literacy zur kritisch-reflektierten Mediennutzung (Center for Media Literacy, 2008). Zum ursprünglich geplanten Lehr-/Lernvideo wurden weitere OER (Podcast, virtuelles Buch, Poster) erstellt, um Lehrpersonen mehr Möglichkeiten zur Auseinandersetzung mit dem Thema zu bieten.
Die fünf Punkte werden mithilfe von Storytelling in den OER[3] thematisiert, zusätzlich wird zu jedem Punkt ein konkretes Anwendungsbeispiel gegeben. Das Lehr-/Lernvideo wurde im Qualifizierungsprogramm Digital Learning Media Pro[4] der Universität Passau konzipiert und erstellt. Dafür wurde zunächst ein Skript verfasst, welches von einer Lehrkraft gegengelesen wurde. Der Podcast, das virtuelle Buch sowie das Poster basieren ebenfalls auf diesem Skript. Es wurden mehrere OER zu diesem Thema erstellt, um Lehrkräften eine Auswahl an Medienformaten zu geben und um verschiedene Unterrichtsszenarien sowie Einzel- und Gruppenarbeiten zu ermöglichen. Der Teilbereich Medienpädagogik, welcher im SKILL.de-Projekt bei IML-Basic angesiedelt ist, ist unter anderem für die Konzeption, Gestaltung und Umsetzung von Open Educational Resources (OER) zur Information and Media Literacy verantwortlich.
Open Educational Resources (OER) sind Bildungsmaterialien jeglicher Art und in jedem Medium, die unter einer offenen Lizenz stehen. Eine solche Lizenz ermöglicht den kostenlosen Zugang sowie die kostenlose Nutzung, Bearbeitung und Weiterverbreitung durch Dritte ohne oder mit geringfügigen Einschränkungen. Dabei bestimmt die urhebende Person selbst, welche Nutzungsrechte sie einräumt und welche Rechte sie sich vorbehält. (Deutsche UNESCO-Kommission e. V., 2022)
Die OER werden unter der Creative Commons-Lizenz CC BY[5] veröffentlicht. Bei dieser Lizenz dürfen die Medienprodukte unter Nennung der Autorschaft vervielfältigt und weiterverbreitet werden. Da der Erwerb von Media Literacy ein lebenslanger Prozess ist (Center for Media Literacy, 2008, S. 8), wurde das Lernangebot so konzipiert, dass es nicht nur in der Schule, sondern auch im Rahmen der universitären Lehre sowie der Erwachsenenbildung Anwendung finden kann.
Entstehung der OER
In den folgenden Unterkapiteln wird ein Überblick über die Entstehung der OER gegeben. Dabei werden die Zielgruppe, die Lernziele und das didaktische Konzept erläutert, zudem wird die praktische Umsetzung näher beleuchtet. Abschließend wird ein Fazit zur Erstellung der Medieninhalte gezogen.
Zielgruppe und Lernziele
Eine Zielkompetenz von Media Literacy ist die Fähigkeit, Medieninhalte vor dem Hintergrund der Medienfunktionen kritisch hinterfragen und bewerten zu können (Wilson et al., 2011, S. 18; Peissl & Sedlaczek, 2022). Die erstellten OER setzen an dieser Zielkompetenz an und sollen die Lernenden dazu befähigen, anhand von fünf Kernkonzepte und Schlüsselfragen der Media Literacy einen kritischen Blick auf Medieninhalte zu erlangen bzw. zu schärfen. Zudem soll auf Seiten der Lernenden ein Bewusstsein über den manipulativen Charakter und die Konstruktivität von Medieninhalten entwickelt werden. Durch den Einsatz der OER in der universitären Lehre können bereits angehende Lehrkräfte in Hinblick auf eine kritische Beurteilung von Medien geschult und somit befähigt werden, Media Literacy ihrer zukünftigen Schüler:innen adäquat zu fördern. Weiterhin sind die OER so konzipiert, dass ein direkter Einsatz im Rahmen schulischen Unterrichts oder auch in anderen Bildungsinstitutionen eingesetzt werden können.
Didaktisches Konzept
Die Inhaltsvermittlung zu den fünf Kernkonzepten und Schlüsselfragen zur kritisch-reflektierten Mediennutzung wird in verschiedenen Medienformaten präsentiert: in einem Video, einem Podcast, einem virtuellen Buch und einem Poster. Um eine hohe Qualität der Medienprodukte zu gewährleisten und neben dem wissenschaftlich-theoretischen zudem auch den praktisch-angewandten Charakter der OER zu stärken, wurde bei der Skripterstellung eine schulische Lehrkraft miteinbezogen.
Durch das Lehr-/Lernvideo wird zum einen visuell durch Texte und Grafiken angesprochen und zum anderen auditiv durch den vertonten Text (Wecker & Stegmann, 2019, S. 376). Es wurde darauf geachtet, dass das Lehr-/Lernvideo keine redundanten Informationen beinhaltet. Überflüssige Informationen können sich nach dem Kohärenzprinzip negativ auf den Lernerfolg auswirken (Mayer & Fiorella, 2014, S. 280). Der Inhalt des Videos wurde prägnant und sequenziert dargeboten, um eine kognitive Überlastung der Lernenden zu vermeiden (Mayer, 2014, S. 59; Wecker & Stegmann, 2019, S. 377). Um die kognitive Überforderung der Lernenden zu verhindern, wurden zudem die fünf Punkte und die Grafiken einfach gehalten (Wecker & Stegmann, 2019, S. 381).
Um den Lehrenden und Lernenden mehrere Optionen zur Wissensvermittlung und Aneignung zur Verfügung zu stellen, wurde zusätzlich ein Podcast produziert, der inhaltlich mit dem Video deckungsgleich ist.
Neben dem Video und dem Podcast wird ebenso ein virtuelles Buch bereitgestellt. Das Buch spricht einzig den visuellen Kanal an und hat den Vorteil, dass es im Gegensatz zum Video und zum Podcast nicht transient ist, da es in eigenem Tempo von den Lernenden durchgearbeitet werden kann. Dadurch müssen die Lernenden die vermittelten Informationen vor der weiteren Verarbeitung nicht im Arbeitsgedächtnis halten, wodurch ein Informationsverlust vermieden werden kann. Durch diese wegfallende Überlastung des Arbeitsgedächtnis eignet sich das Buch vor allem bei jüngeren Lernenden.
Als viertes wird ein Poster als Medienprodukt zur Thematik erstellt. Das Poster kann im Klassenzimmer aufgehängt werden, damit die Lernenden die fünf Kernkonzepte und Schlüsselfragen bei der Überprüfung eines Medieninhaltes durchgehen können. Im Gegensatz zu den anderen drei Medienprodukten enthält das Poster über die fünf Punkte hinaus keine weiteren Informationen. Das Poster sollte somit ergänzend zum Video, zum Podcast oder zum Buch verwendet werden.
Praktische Umsetzung
Nach Fertigstellung und Abnahme des Skripts wurde im Anschluss das Video produziert. Für die Einführung in das Video wurde mit der Erstautorin eine Videosequenz in Zusammenarbeit mit dem ZLF-Studio[6] der Universität Passau gedreht. Zusätzlich wurde eine PowerPoint-Präsentation[7] erstellt und animiert. Aufgezeichnet wurde das Video mit Open Broadcaster Software (OBS)[8], einer freien Software zur Bildschirmaufnahme. Anschließend wurde das Video vertont und mit den Programmen Audacity[9], einer ebenfalls kostenlosen Software, und Adobe Premiere Pro geschnitten. Durch das mediendidaktische Design wurde ein sinnvoller Einsatz von Text, Ton und Bildern vorgenommen, um ein ansprechendes Lehr-/Lernvideo zu schaffen. Beim Video wurde bewusst auf eine musikalische Untermalung verzichtet, damit sich die Lernenden vollends auf den Inhalt konzentrieren können. Da nachgewiesen werden konnte, dass bei einer Videodauer von über 10 Minuten Erschöpfungserscheinungen und Konzentrationsschwächen auf Seiten der Lernenden auftreten (Pi & Hong, 2016), wurde das Video mit knapp acht Minuten gezielt kurzgehalten.
Der Podcast baut auf der Audiospur des Videos auf. Für den Podcast wurde der Einstieg abgeändert sowie der Lizenzhinweis vertont. Das virtuelle Buch wurde mit BookCreator[10] erstellt. Es kann online abgerufen und/oder als PDF heruntergeladen werden.[11] Das Poster wurde in PowerPoint erstellt und kann ebenso heruntergeladen werden[12].
Persönliche Reflexion und Lessons Learned
Die Gestaltung der Medieninhalte als OER erwies sich als herausfordernd. So liegt ein Teil der rechtlichen Fragen zur Nutzung anderer Inhalte in der Grauzone, was die akkurate Arbeit erschwert. Gleichzeitig ist es schwierig, mehrere einheitliche und lizenzfreie Bilder zu finden und dynamische Elemente ohne eine entsprechende Hilfssoftware einzubauen. Die visuellen Medienprodukte enthalten Icons von The Noun Project[13], die bei einem Remix aus lizenzgründen nicht weiterverwendet werden dürfen. Eine Herausforderung bei der Videoproduktion war, dass eine Screencastaufnahme über PowerPoint nicht funktioniert hat und der Videoexport mit diversen Playern nicht abgespielt werden konnte. Daher wurde das Video mit OBS und das Audio mit einem Tongerät aufgenommen. Bei der Audioaufnahme bestand das Problem darin, dass die Tonlaustärke teilweise stark geschwankt hat. Bei einer zukünftigen Videoproduktion erscheint es deshalb sinnvoll, Bild und Ton gleichzeitig aufzunehmen, um den Aufwand der Nachbereitung zu verringern. Ferner könnten das Video und das Audio noch kürzer gehalten werden, um die kognitive Belastung der Rezipierenden zu verringern.
Die freien Lehrmaterialien
Die OER samt Rohdateien sind über die OPEN vhb über diesen Link erreichbar. Zusätzlich zu den freien Lehrmaterialien stehen die Vorschläge zum konkreten Einsatz im Unterricht sowie weiterführende Informationen auf dem DiLab-Blog[14] der Universität Passau zur freien Verfügung.
Podcast 5 Punkte der Media Literacy
Poster_5 Punkte der Media Literacy
Poster (Powerpoint)_5 Punkte der Media Literacy
Literatur
Ammann, D. & Fraefel, J. (2009). Dossier Medienkompetenz. Aktiver Unterricht rund um die Medien. Stadt Zürich Schulamt (Hrsg.). Zugriff am 09.09.2022. Verfügbar unter: https://www.phzh.ch/MAPortrait_Data/77997/6/Dossier_Medienkompetenz.pdf
Berger, P. (2019). «Who needs teachers? Factors associated with learning ICT skills from teachers in a multilevel analysis of the ICILS data». MedienPädagogik 35, (October), 116–135. https://doi.org/10.21240/mpaed/35/2019.10.22.X.
Center for Media Literacy (Hrsg.). (2008). Five Key Questions That Can Change the World. Zugriff am 09.09.2022. Verfügbar unter: https://www.medialit.org/sites/default/files/5KQ%20ClassroomGuide_1.pdf
Creative Commons Corporation. (2022). Namensnennung 4.0 International (CC BY
4.0). Zugriff am 09.09.2022. Verfügbar unter https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de
Deutsche UNESCO-Kommission e. V. (Hrsg). (2022). Open Educational Resources. Zugriff am 09.09.2022. Verfügbar unter: https://www.unesco.de/bildung/open-educational-resources
Mayer, R. E. & Fiorella, L. (2014). Principles for Reducing Extraneous Processing in
Multimedia Learning: Coherence, Signaling, Redundancy, Spatial Contiguity, and
Temporal Contiguity Principles. In R. E. Mayer (Hrsg.), The Cambridge Handbook
of Multimedia Learning (Second edition, S. 279–315). New York: Cambridge University Press.
Mayer, R. E. (2014). Cognitive Theory of Multimedia Learning. In R. E. Mayer (Hrsg.),
The Cambridge Handbook of Multimedia Learning (Second edition, S. 43–71). New
York: Cambridge University Press.
Peissl, H. & Sedlaczek, A. (2022) Kritische Medienkompetenz vor dem Hintergrund der Digitalisierung. Media and Information Literacy (MIL) und Critical Media Literacy (CML) im Vergleich – In: Magazin erwachsenenbildung.at 44/45. https://erwachsenenbildung.at/magazin/22-44u45/08_peissl_sedlaczek.pdf [17.01.2023]
Pennebaker, J. W. (2011). The secret life of pronouns: What our words say about us (1st U.S. ed.). New York, NY: Bloomsbury Press.
Pi, Z., & Hong, J. (2016). Learning process and learning outcomes of video podcasts including the instructor and PPT slides: A Chinese case. Innovations in Education and Teaching International, 53(2), 135–144. https://doi.org/10.1080/14703297.2015.1060133
Wecker, C. & Stegmann, K. (2019). Medien im Unterricht. In D. Urhahne, M. Dresel &
F. Fischer (Hrsg.), Psychologie für den Lehrberuf (S. 373–393). Berlin: Springer.
Wilson, C., Grizzle A., Tuazon, R., Akyempong, K., Cheung, C. K. (2011). Media and Information Literacy Curriculum for Teachers. UNESCO. https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000192971
- OER steht für Open Educational Resources und sind frei verfügbare Lehr-/Lernmaterialien. ↵
- Das diesem Bericht zugrundeliegende Vorhaben wird im Rahmen der gemeinsamen „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund und Ländern mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen 01JA1924 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei der Erstautorin. ↵
- Ausgenommen hiervon ist das Poster: In dieser OER werden die fünf Punkte nicht mithilfe von Storytelling vermittelt. Das Poster enthält ausschließlich die 5 Schlüsselfragen und Kernkonzepte. ↵
- Weitere Informationen zum Qualifizierungsprogramm von DLMP: https://www.zim.uni-passau.de/kurse/e-learning/dlmp/ ↵
- Weitere Informationen unter https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de ↵
- dilab.uni-passau.de/labore-im-ueberblick/zlf-studio/ ↵
- Die PowerPoint-Präsentation wird wie das Lehr-/Lernvideo frei als OER zur Verfügung gestellt. ↵
- https://obsproject.com/ ↵
- https://www.audacityteam.org/ ↵
- https://bookcreator.com/ ↵
- Virtuelles Buch über BookCreator ↵
- Die Rohversionen sind alle frei verfügbar. Eine Auflistung der OER und die entsprechenden Links finden sich am Ende des Beitrags. ↵
- https://thenounproject.com/ ↵
- https://blog.dilab.uni-passau.de/unterrichtsbausteine/5-punkte-der-media-literacy/ ↵